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Aktuelle Rechtsprechung

OVG Bautzen 2 A 370/22 - 4 K 938/20

Az.: 2 A 370/22
4 K 938/20
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT
Im Namen des Volkes
Urteil

Durchführung der Gleichwertigkeitsprüfung
hier: Berufung
hat der 2. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten
des Oberverwaltungsgerichts Dr. Grünberg, die Richterin am Oberverwaltungsgericht
Hahn und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Henke aufgrund der mündlichen
Verhandlung
vom 29. August 2023
für Recht erkannt:
Soweit die Beteiligten die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird
das Verfahren eingestellt.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom
12. Mai 2022 - 4 K 938/20 - geändert und der Tenor wie folgt gefasst:
Der Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag der Klägerin vom 18. April 2023 auf
Rücknahme der Bescheide vom 30. Oktober 2018 und 20. Februar 2019 unter Beachtung
der Rechtsauffassung des Senats zu entscheiden. Der Bescheid des Beklagten
vom 16. Dezember 2019 und der Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2020 werden
aufgehoben.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen trägt die Klägerin 15 % und
der Beklagte 85 %.
Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen das endgültige Nichtbestehen der Kenntnisprüfung
nach § 37 ÄApprO und begehrt die Durchführung einer Gleichwertigkeitsprüfung nach
§ 3 Abs. 3 BÄO als Voraussetzung für die Erteilung der Approbation.
Die 1984 geborene Klägerin erwarb am 31. Juli 2009 ihr Diplom als Allgemeinärztin in
Albanien, wo sie nachfolgend mehrere Jahre als Ärztin in verschiedenen Krankenhäusern
tätig war. Am 17. Januar 2017 beantragte sie die Erteilung der Approbation für
Absolventen einer ausländischen Universität nach § 3 Abs. 3 BÄO bei der Landesdirektion
Sachsen. Dem Antrag waren u. a. ein Studienplan der Universität für Medizin,
Tirana in beglaubigter Übersetzung, ein Lebenslauf und Arbeitszeugnisse sowie erforderliche
Erklärungen der Klägerin beigefügt. Mit E-Mail vom 8. Februar 2017 bestätigte
1
2
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die Landesdirektion Sachsen den Eingang und stellte die Anmeldung zur Fachsprachenprüfung
Medizin in Aussicht. Am 1. März 2017 reichte die Klägerin weitere Unterlagen
ein. Am 20. März 2017 nahm sie erfolgreich an der Fachsprachenprüfung Medizin
bei der Sächsischen Landesärztekammer teil. Mit Schreiben vom 11. April 2017
informierte die Landesdirektion Sachsen die Klägerin, dass nach Eingang weiterer Unterlagen
nunmehr die Gleichwertigkeit zwischen der medizinischen Ausbildung an der
Universität Tirana und der deutschen medizinischen Ausbildung geprüft werde, die Bearbeitungszeit
betrage nach vollständiger Vorlage aller Unterlagen bis zu vier Monate.
Die Klägerin erkundigte sich nach einer Erlaubnis zur vorübergehenden Berufsausübung.
Mit E-Mail vom 12. April 2017 forderte die Landesdirektion die Klägerin zur Vorlage
u. a. eines personalisierten Studienbuches auf. Die Erteilung einer Erlaubnis zur
vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs sei unter der Voraussetzung möglich,
dass die Klägerin von der Gleichwertigkeitsprüfung absehe und sich direkt für die
Teilnahme an der Kenntnisprüfung entscheide; ein Vergleich der Studieninhalte würde
dann nicht durchgeführt werden, die Vorlage des personalisierten Studienbuches sei
demnach nicht erforderlich. Mit E-Mail vom 13. April 2017 beantragte die Klägerin die
Erlaubnis zur vorübergehenden Berufsausübung; ihr Antrag auf Approbation solle in
Bearbeitung bleiben. Sie erklärte ihr Einverständnis, sich unmittelbar der Kenntnisprüfung
zum Nachweis ihrer medizinischen Kenntnisse und Fähigkeiten zu unterziehen.
Mit Bescheid vom 26. April 2017 stellte die Landesdirektion in Ziffer 1 fest, dass die
Gleichwertigkeit der ärztlichen Ausbildung der Klägerin mit einer deutschen ärztlichen
Ausbildung nicht festgestellt werden könne; nach dem Verzicht der Klägerin auf die
Gleichwertigkeitsprüfung könne der erforderliche Nachweis nur durch Ablegen der
Kenntnisprüfung erbracht werden. Zugleich wurde in Ziffer 2 die Erlaubnis zur vorübergehenden
Ausübung des ärztlichen Berufs (für zwei Jahre) erteilt.
In der Folgezeit unterzog sich die Klägerin am 11. September 2018 und am 15. Februar
2019 der Kenntnisprüfung, die sie jeweils nicht bestand; die hierzu ergangenen Bescheide
vom 30. Oktober 2018 und vom 20. Februar 2019 wurden bestandskräftig. Die
am 13. November 2019 abgehaltene zweite Wiederholungsprüfung bestand die Klägerin
ebenfalls nicht. Gegen den Bescheid vom 16. Dezember 2019, mit dem das endgültige
Nichtbestehen der Kenntnisprüfung festgestellt wurde, legte sie Widerspruch
wegen schwerer Verfahrensmängel der Prüfung ein, den der Beklagte nach Durchführung
des Überdenkensverfahrens mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2020 zurückwies.
Die Klägerin erhob dagegen am 7. Juni 2020 Klage. Unter dem 5. April 2022
berichtigte der Beklagte Ziffer 1 des Bescheides vom 16. Dezember 2019 hinsichtlich
der zitierten Rechtsgrundlage (§ 3 Abs. 3 Satz 3 BÄO anstelle des zuvor angegebenen
§ 3 Abs. 3 Satz 2 BÄO). In der mündlichen Verhandlung beantragte die Klägerin zudem
die Aufhebung der Bescheide vom 30. Oktober 2018 und 20. Februar 2019 sowie die
Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung eines Bescheides gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2
und Abs. 2 Satz 8 BÄO. Der Beklagte widersprach einer Klageerweiterung durch Einführung
der beiden bestandskräftigen Prüfungsbescheide in das Verfahren.
Mit Urteil vom 12. Mai 2022 - 4 K 938/20 gab das Verwaltungsgericht Chemnitz der
Klage statt. Zudem wurde Ziffer 1 des Bescheides vom 26. April 2017 aufgehoben. Das
Verwaltungsgericht erachtete die Erweiterung der Klage auf die bestandskräftigen Prüfungsbescheide
als sachdienlich. Die Klägerin habe Anspruch auf Fortsetzung des Approbationserfahrens
und Durchführung der Gleichwertigkeitsprüfung nach § 3 Abs. 3
BÄO. Die gesetzlichen Bestimmungen sähen grundsätzlich vor Ablegung einer Kenntnisprüfung
obligatorisch die Gleichwertigkeitsprüfung vor; es bestehe weder eine Wahlmöglichkeit
noch könne auf die Gleichwertigkeitsprüfung verzichtet werden. Dies ergebe
sich nach allen Auslegungsmethoden. Zudem habe die Klägerin sich aufgrund
einer falschen Auskunft des Beklagten für die unmittelbare Durchführung der Kenntnisprüfung
entschieden. Eine Ausnahme nach § 3 Abs. 3 Satz 4 BÄO liege nicht vor. Bereits
aus diesen Gründen seien sämtliche Prüfungsbescheide rechtswidrig und aufzuheben.
Dies gelte auch für die bestandskräftigen Prüfungsbescheide; die Klägerin habe
einen Aufhebungsanspruch, weil das Ermessen des Beklagten wegen dessen offensichtlich
rechtswidriger Vorgehensweise auf Null reduziert sei. Die Klägerin habe damit
Anspruch auf Erlass eines Feststellungsbescheides nach § 3 Abs. 2 Satz 8 BÄO. Falls
hierbei wesentliche Unterschiede in der Ausbildung festgestellt würden, könne die Klägerin
erneut die Kenntnisprüfung (ggfs. mit zwei Wiederholungsprüfungen) ablegen.
Zur Begründung der vom Senat mit Beschluss vom 27. Februar 2023 nach § 124 Abs. 2
Nr. 1 VwGO zugelassenen Berufung trägt der Beklagte unter Bezugnahme auf sein
bisheriges Vorbringen vor, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts führe die
bis dato nicht durchgeführte Gleichwertigkeitsprüfung nicht zur Rechtswidrigkeit der
abgelegten Kenntnisprüfung. Der Rechtslage sei kein absoluter Vorrang der Gleichwertigkeitsprüfung
zu entnehmen. Die Auslegung nach Wortlaut, Systematik und Sinn
und Zweck der maßgeblichen Bestimmungen ergebe kein derartiges Rangverhältnis;
diese stünden vielmehr gleichberechtigt nebeneinander. Der Entscheidung des OVG
Thüringen (Beschl. v. 27. April 2021 - 3 EO 769/20 -, juris) sei nicht beizupflichten.
Unabhängig davon sei die Klägerin als „Herrin des Verfahrens“ zur Disposition über
den von ihr gestellten Antrag befugt und könne sich zunächst - unter Zurückstellung
oder Verzicht auf die Gleichwertigkeitsprüfung - der Kenntnisprüfung unterziehen. Sie
verhalte sich treuwidrig, weil sie sich erst kurz vor der mündlichen Verhandlung nach
Kenntniserlangung von der Thüringer Entscheidung auf den Vorrang der Gleichwertigkeitsprüfung
berufen habe. Zudem habe sie keine prüffähigen Unterlagen vorgelegt.
Die Prüfungsbescheide seien sämtlich rechtmäßig. Soweit bestandskräftig geworden,
habe das Gericht sie schon nicht in das Verfahren einbeziehen und erst recht nicht
selbst aufheben dürfen. Selbst wenn die Bescheide rechtswidrig wären, eine Ermessensreduzierung
auf Null gegeben und die Sache spruchreif gewesen wäre, was nicht
der Fall sei, hätte das Gericht allenfalls den Beklagten zur Rücknahme nach § 48
VwVfG verpflichten können. Die Aufhebung von Ziffer 1 des Bescheides vom 26. April
2017 über die Nichtfeststellung der Gleichwertigkeit habe die Klägerin nicht beantragt;
das Verwaltungsgericht sei unter Verletzung von § 88 VwGO über das klägerische Begehren
hinausgegangen. Der Bescheid sei zudem rechtmäßig; eine Rechtsgrundlage
für die Aufhebung nicht ersichtlich.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Beklagte erstmals ein in seinem
Auftrag erstelltes Gutachten zur Gleichwertigkeit der ausländischen Berufsqualifikation
der Klägerin datierend vom 3. Mai 2023 vorgelegt. Er hat sich sodann verpflichtet, die
Gleichwertigkeitsprüfung nach Anhörung der Klägerin abzuschließen und ihr hierüber
einen rechtsmittelfähigen Bescheid zu erteilen. Die Beteiligten haben den Rechtsstreit
hinsichtlich der Durchführung der Gleichwertigkeitsprüfung daraufhin für erledigt erklärt.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 12. Mai 2022 - 4 K 938/20 -
abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
den Bescheid des Beklagten vom 16. Dezember 2019 und den Widerspruchsbescheid
vom 10. Juni 2020 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die
Bescheide vom 30. Oktober 2018 und 20. Februar 2019 aufzuheben, sowie
die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Sie verweist auf den unbeschränkten Prüfungsumfang des Oberverwaltungsgerichts
als zweiter Tatsacheninstanz; eine Klageänderung bzw. -erweiterung sei auch im Berufungsverfahren
möglich. Sie habe hinsichtlich der bestandskräftigen Bescheide vom
30. Oktober 2018 und 20. Februar 2019 mit Schreiben vom 18. April 2023 die Aufhebung
beim Beklagten beantragt, was dieser mit Schreiben vom 28. April 2023 abgelehnt
habe. Die Klägerin habe dagegen mit Schreiben vom 4. Mai 2023 Widerspruch
eingelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Behördenakte
des Beklagten, die Gerichtsakte des Verwaltungsgerichts Chemnitz und die Gerichtsakte
des Berufungsverfahrens verwiesen.
Entscheidungsgründe
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache - betreffend den Anspruch
auf Durchführung der Gleichwertigkeitsprüfung - im Termin zur mündlichen Verhandlung
vor dem Senat am 29. August 2023 übereinstimmend für erledigt erklärt haben,
war das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen;
das Urteil des Verwaltungsgerichts ist insoweit wirkungslos (§ 173 VwGO i. V. m. § 269
Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 ZPO).
Hinsichtlich des noch anhängigen Teils hat die zulässige Berufung des Beklagten nur
in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Nur in diesem Umfang war die
Klage abzuweisen; im Übrigen ist sie zulässig (A.) und begründet (B.).
A. Soweit die Klägerin bereits im erstinstanzlichen Verfahren ergänzend die Aufhebung
der Bescheide vom 30. Oktober 2018 und 20. Februar 2019 beantragt hatte, hatte das
Verwaltungsgericht - nachdem der Beklagte der Klageerweiterung widersprochen hatte
- die Klageänderung als sachdienlich angesehen. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts
über die Zulässigkeit der Klageänderung ist im Berufungsverfahren nicht mehr
angreifbar (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 91 Rn. 28). Die genannten
Bescheide sind damit ebenso wie der den ursprünglichen Klagegegenstand bildende
Bescheid vom 16. Dezember 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
10. Juni 2020 Gegenstand des Berufungsverfahrens.
Der Zulässigkeit der Klage steht auch nicht die Bestandskraft der Bescheide vom
30. Oktober 2018 und 20. Februar 2019 entgegen, weil der im Berufungsverfahren gestellte
Antrag nicht auf Aufhebung durch das Gericht, sondern auf Verpflichtung des
Beklagten zur Rücknahme dieser Bescheide gerichtet ist.
Die Durchführung des nach § 68 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO gebotenen Vorverfahrens
war insoweit entbehrlich: Die Klägerin hat nach Zulassung der Berufung am 18. April
2023 beim Beklagten die Aufhebung der Bescheide vom 30. Oktober 2018 und
20. Februar 2019 beantragt, was letzterer mit Schreiben vom 28. April 2023 (ohne
Rechtsbehelfsbelehrung) mit der Begründung abgelehnt hat, zunächst die Entscheidung
des Senats in der Sache abwarten zu wollen. Ein rechtsmittelfähiger Bescheid
wurde nicht erlassen, Widerspruch wurde nicht eingelegt. Das Bestehen auf Durchführung
des Vorverfahrens wäre unter diesen Umständen eine bloße Förmelei, zumal der
Beklagte im Berufungsverfahren, ohne das Fehlen des Vorverfahrens zu rügen, die
Klageabweisung beantragt hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 23. Oktober 1980 - 2 A 4/78 -, juris
Rn. 20 m. w. N).
Schließlich fehlt es nicht an der Klagebefugnis. Denn es ist offen, ob sich nach dem
Ergebnis der von der Klägerin angestrebten und vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung
angekündigten Gleichwertigkeitsprüfung wegen der Feststellung bestehender
Unterschiede nachfolgend das Absolvieren der Kenntnisprüfung erforderlich
macht. In diesem Fall besteht für die Klägerin ein Interesse daran, hierfür ungeschmälert
die in § 37 Abs. 7 Satz 2 ÄApprO vorgesehenen drei Versuche zu haben.
B. Die (noch) gegen die drei bisher ergangenen Prüfungsbescheide zu den durchgeführten
Kenntnisprüfungen gerichtete Klage ist zum überwiegenden Teil begründet.
1. Der Bescheid vom 16. Dezember 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
10. Juni 2020 ist aufzuheben, weil er in mehrfacher Hinsicht rechtswidrig ist und die
Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VWGO).
a) Die Kenntnisprüfung hätte wegen des Vorrangs der Gleichwertigkeitsprüfung nicht
durchgeführt werden dürfen. Dies ergibt sich aus dem in § 3 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 BÄO
geregelten Verfahren zur Erteilung der ärztlichen Approbation an Ärzte aus Drittstaaten.
Gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 BÄO ist in einem Drittstaat ausgebildeten Ärzten die
Approbation zu erteilen, wenn die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes gegeben
ist. Für die Prüfung der Gleichwertigkeit verweist § 3 Abs. 3 Satz 2 BÄO auf die für EU-
angehörige und gleichgestellte Personen geltende Bestimmung § 3 Abs. 2 Satz 2 bis
6 sowie 8 und 9 BÄO. Hiernach ist der Ausbildungsstand als gleichwertig anzusehen,
wenn die Ausbildung des Antragstellers keine wesentlichen Unterschiede gegenüber
der Ausbildung aufweist, die in der Bundesärzteordnung und in der Rechtsverordnung
nach § 4 Abs. 1 BÄO geregelt ist. Wesentliche Unterschiede liegen vor, wenn 1. die
Ausbildung der Antragsteller sich hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit auf Fächer bezieht,
die sich wesentlich von der deutschen Ausbildung unterscheiden, oder 2. der
Beruf des Arztes eine oder mehrere reglementierte Tätigkeiten umfasst, die in dem
Staat, der den Ausbildungsnachweis ausgestellt hat, nicht Bestandteil des Berufs des
Arztes sind, und sich die deutsche Ausbildung auf Fächer bezieht, die sich wesentlich
von denen unterscheiden, die von dem Ausbildungsnachweis der Antragsteller abgedeckt
werden. Fächer unterscheiden sich wesentlich, bei denen Kenntnis und Fähigkeiten
eine wesentliche Voraussetzung für die Ausübung des Berufs sind und bei denen
die Ausbildung der Antragsteller gegenüber der deutschen Ausbildung wesentliche
Abweichungen hinsichtlich des Inhalts aufweist. Wesentliche Unterschiede können
ganz oder teilweise durch Kenntnisse und Fähigkeiten ausgeglichen werden, die die
Antragsteller im Rahmen ihrer ärztlichen Berufspraxis in Voll- oder Teilzeit oder durch
lebenslanges Lernen erworben haben, sofern die durch lebenslanges Lernen erworbenen
Kenntnisse und Fähigkeiten von einer dafür in dem jeweiligen Staat zuständigen
Stelle formell als gültig anerkannt wurden; dabei ist nicht entscheidend, in welchem
Staat diese Kenntnisse und Fähigkeiten erworben worden sind. Liegen wesentliche
Unterschiede nach den Sätzen 3 bis 5 vor, müssen die Antragsteller nachweisen, dass
sie über die Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, die zur Ausübung des Berufs des
Arztes erforderlich sind. Über die Feststellung der wesentlichen Unterschiede, die zur
Auferlegung einer Eignungsprüfung führt, ist den Antragstellern spätestens vier Monate,
nachdem der zuständigen Behörde alle erforderlichen Unterlagen vorliegen, ein
rechtsmittelfähiger Bescheid zu erteilen. Gemäß § 3 Abs. 3 Satz 3 BÄO wird der Nachweis
der erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten durch das Ablegen einer Prüfung
erbracht, die sich auf den Inhalt der staatlichen Abschlussprüfung bezieht. Gemäß § 3
Abs. 3 Satz 4 BÄO sind die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nach Satz 3
auch nachzuweisen, wenn die Prüfung des Antrags nur mit unangemessenem zeitlichen
oder sachlichen Aufwand möglich ist, weil die erforderlichen Unterlagen und
Nachweise aus Gründen, die nicht in der Person der Antragsteller liegen, von diesen
nicht vorgelegt werden können.
Hieraus folgt der - in der mündlichen Verhandlung vom Beklagen anerkannte - Anspruch
der Klägerin auf Durchführung der Gleichwertigkeitsprüfung nach § 3 Abs. 3
Satz 3 i. V. m. § 3 Abs. 2 Sätze 2 bis 6 BÄO. In Abhängigkeit von deren Ergebnis hat
der Beklagte entweder die Approbation zu erteilen (§ 3 Abs. 3 Satz 1 BÄO) oder binnen
vier Monaten ab Eingang der vollständigen Unterlagen einen rechtsmittelfähigen Bescheid
nach § 3 Abs. 3 Satz 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 8 BÄO zu erlassen. Erst wenn
letzterer vorliegt, kann auf dessen Grundlage die Kenntnisprüfung nach § 3 Abs. 3 Satz
3 BÄO stattfinden.
Nach den gesetzlichen Bestimmungen besteht weder eine Wahlmöglichkeit zwischen
Gleichwertigkeitsprüfung und Kenntnisprüfung noch kann auf die Gleichwertigkeitsprüfung
verzichtet werden (so aber die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage
von Abgeordneten und der Fraktion der FDP vom 3. Mai 2019 - BT-Drs. 19/9915,
S. 4). Vielmehr ergibt sich aus den zitierten Bestimmungen zwingend der Vorrang der
Gleichwertigkeitsprüfung. Dies folgt aus dem Wortlaut wie auch aus dem in § 3 Abs. 2
BÄO normierten Verfahrensablauf (auf den § 3 Abs. 3 Satz 2 BÄO verweist) mit der
Notwendigkeit eines rechtsmittelfähigen Bescheides über die Feststellung der wesentlichen
Unterschiede, die zur Auferlegung einer Eignungsprüfung führt. Entsprechendes
ergibt sich aus dem Gesetzgebungsverfahren zur Änderung von § 3 BÄO zum 2. Dezember
2007 (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Gesundheitsausschusses
des Deutschen Bundestages, BT-Drs. 16/6458, S. 17 und 169); dort heißt es im Hinblick
auf die Regelung in § 3 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BÄO (entspricht aktuell § 3 Abs. 3
Satz 4 BÄO): „Die Regelung zur Kenntnisprüfung in Satz 3 Nr. 2 wirkt zugunsten des
Antragstellers. Sie macht deutlich, dass die zuständige Behörde grundsätzlich eine
Gleichwertigkeitsprüfung durchzuführen hat und den Antragsteller nur unter den in
Satz 3 Nr. 2 präzisierten Voraussetzungen auf eine Kenntnisprüfung verweisen darf.
Damit kann die Behörde nicht wegen eines zu hohen Verwaltungsaufwands bei der
Gleichwertigkeitsprüfung eine Kenntnisprüfung anordnen.“ Die einzige Ausnahme vom
Erfordernis der Gleichwertigkeitsprüfung ist damit der bereits angesprochene § 3
Abs. 3 Satz 4 BÄO. Diese Bestimmung trägt den Beweisschwierigkeiten der Antragsteller
Rechnung, die aus nicht selbst verschuldeten Gründen an der Vorlage geeigneter
Nachweise gehindert sind.
Der Senat verweist zum Ganzen beispielhaft auf die zutreffenden Ausführungen des
Thüringischen Oberverwaltungsgerichts in dessen Beschluss vom 27. April 2021 -
3 EO 769/20 -, juris Rn. 25:
(1) Die gesetzliche Bestimmung des § 3 Abs. 3 BÄO sieht vor der Ablegung einer
Kenntnisprüfung nach Satz 3 eine Gleichwertigkeitsprüfung nach Satz 2 dieser Be-
stimmung obligatorisch vor. Eine Wahlmöglichkeit zwischen diesen beiden Voraussetzungen
zur Erlangung der Approbation besteht insoweit nicht; ein Verzicht auf
die Gleichwertigkeitsprüfung ist - wie dies auch der Antragsgegner im Beschwerdeverfahren
dargelegt hat - nicht möglich (so schon: VG Würzburg, Beschluss vom
25. Mai 2020 - W 10 E 20.636 - amtlicher Abdruck S. 17). Erst wenn die Gleichwertigkeitsprüfung
wesentliche Unterschiede im Ausbildungsstand des Antragstellers
im Vergleich zur in Deutschland vorgesehenen Ausbildung aufweist und diese
auch nicht durch besondere individuelle Kenntnisse und Erfahrungen, die gerade
bei Drittstaaten praktisch besonders relevant sind (vgl. dazu Schelling in: Spickhoff,
Medizinrecht, 2. Auflage 2014, § 3 BÄO Rn. 34), ausgeglichen werden, ist als
nächster Schritt zum Ausgleich für die Nicht-Gleichwertigkeit eine vollumfängliche
Kenntnisprüfung nach § 3 Abs. 3 Satz 3 BÄO abzulegen. Da entsprechend § 3
Abs. 2 Satz 1 BÄO die Approbation zu erteilen ist, wenn die Gleichwertigkeit des
Ausbildungsstandes gegeben ist, hat nach der eindeutigen und zwingenden Regelung,
die keinen Ermessensspielraum einräumt - auch in Absatz 2 und 3 nicht - der
Gesetzgeber insoweit keine Notwendigkeit mehr gesehen, darüber hinaus noch
eine Kenntnisprüfung aufzuerlegen. Ohne Überprüfung der Gleichwertigkeit darf
mithin auch keine Kenntnisprüfung abverlangt werden, es sei denn, es handelt sich
um einen Fall des § 3 Abs. 3 Satz 4 BÄO.
Diese Bewertung entspricht der überwiegenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechung
(vgl. Haage, Zur Gleichwertigkeit der Ärzteausbildung in Drittstaaten, MedR
2015, 655 ff; Rehborn, in: Laufs/Kern/Rehborn, Handbuch des Arztrechts, 5. Aufl. 2019,
§ 8 Die Approbation Rn. 24 f.; Schelling, in: Spickhoff, Medizinrecht, 4. Aufl. 2022, BÄO
§ 3, Rn. 54 ff.; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 7. Februar 2018 - 7 K 6774/16 -, juris Rn. 87;
OVG NRW, Urt. v. 5. Februar 2020 - 13 A 1115/17 -, juris Rn. 55 ff. und v. 24. Mai 2023
- 13 A 1952/22 -, juris Rn. 14; VG Bremen, Urt. v. 14. Juli 2022 - 5 K 72/22 -, juris
Rn. 26 m. w. N.; VG Weimar, Urt. v. 16. Februar 2023 - 8 K 1446/20 We -, von der
Klägerin vorgelegt; a. A. - ohne nähere Begründung - VG Schleswig, Beschl. v. 19. November
2020 - 11 B 94/20 -, juris Rn. 46). Sie entspricht zudem der Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts zur (vergleichbaren) Vorgängerregelung § 3 Abs. 2
Satz 3 Nr. 1 und Nr. 2 BÄO i. d. F. v. 2. Dezember 2007, vgl. BVerwG, Urt. v. 11. Dezember
2008 - 3 C 33.07 -, juris Rn. 32: Das Bundesverwaltungsgericht führt dort aus,
dass eine Kenntnisstandsprüfung nur ersatzweise vorgesehen ist, wenn die Gleichwertigkeit
des Ausbildungsstandes nicht gegeben oder nicht feststellbar ist.
Eine Ladung der Klägerin zur Kenntnisprüfung hätte wegen des Vorrangs der Gleichwertigkeitsprüfung
nicht erfolgen dürfen. Hieran ändert auch das von der Klägerin zunächst
erklärte Einverständnis mit der vom Beklagten vorgeschlagenen Verfahrensweise
nichts. Denn der gesetzlich angeordnete Verfahrensablauf steht nicht zur Disposition
der Beteiligten. Zudem beruhte die Erklärung der Klägerin auf einer Falschauskunft
des Beklagten, wonach die von ihr beantragte Erlaubnis zur vorübergehenden
Berufsausübung den Verzicht auf die Gleichwertigkeitsprüfung voraussetze. Schließlich
vermag der Senat kein widersprüchliches oder gar treuwidriges Verhalten der Klägerin
darin sehen, dass sie, nachdem sie Kenntnis von der Entscheidung des Thüringischen
Oberverwaltungsgerichts erlangt und die Fehlerhaftigkeit der Vorgehensweise
des Beklagten erkannt hatte, vom Beklagten die Einhaltung des gesetzlich vorgeschriebenen
Verfahrens beanspruchte.
b) Die am 13. November 2019 durchgeführte Prüfung leidet zudem unter einem
schwerwiegenden Verfahrensmangel. Die Durchführung der Kenntnisprüfung nach § 3
Abs. 3 Satz 3 BÄO richtet sich nach § 37 ÄApprO. Sie bezieht sich auf die Fächer
Innere Medizin und Chirurgie (§ 37 Abs. 1 Satz 1 ÄApprO). Die Fragestellungen sollen
ergänzend folgende Aspekte berücksichtigen: Notfallmedizin, Klinische Pharmakologie/
Pharmakotherapie, Bildgebende Verfahren, Strahlenschutz, Rechtsfragen der ärztlichen
Berufsausübung (§ 37 Abs. 1 Satz 2 ÄApprO). Zusätzlich kann die zuständige
Behörde im Bescheid nach § 3 Abs. 2 Satz 8 BÄO ein Fach oder einen Querschnittsbereich
als prüfungsrelevant festlegen, in dem sie wesentliche Unterschiede festgestellt
hat, die von Innerer Medizin und Chirurgie nicht umfasst sind (§ 37 Abs. 1 Satz 3
ÄApprO); dieser Satz konnte vorliegend indes keine Anwendung finden, weil es an
einem Bescheid nach § 3 Abs. 2 Satz 8 BÄO fehlte. Unter Verstoß gegen § 37 Abs. 1
Satz 1 und 2 ÄApprO wurde die Klägerin in der Prüfung am 13. November 2019 neben
den Fächern Innere Medizin und Chirurgie zusätzlich im Fach Gynäkologie geprüft, aus
dem der Vorsitzende der Prüfungskommission stammte (vgl. Prüfungsladung vom
11. Oktober 2019). In der Prüfungsniederschrift vom 13. November 2019 ist entsprechend
neben „Innere“ und „Chirurgie“ als dritter Prüfungsgegenstand „Gynäkologie“
vermerkt. Soweit der Beklagte angegeben hat, es habe sich hierbei ausschließlich um
Fragen aus dem Querschnittsbereich Notfallmedizin gehandelt, stehen dem bereits die
eindeutigen Angaben zum Prüfungsfach bzw. -gegenstand in Prüfungsladung und -
niederschrift entgegen. Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 4 Nr. 7 ÄApprO handelt es sich bei
Frauenheilkunde/Geburtshilfe um ein eigenständiges Fach, in dem im regulären deutschen
Medizinstudium ein Leistungsnachweis erbracht werden muss, um zum Zweiten
Abschnitt der Ärztlichen Prüfung zugelassen zu werden. Hiervon zu unterscheiden sind
die in § 27 Abs. 1 Satz 5 ÄApprO benannten Querschnittsbereiche (über die ebenfalls
Leistungsnachweise zu erbringen sind), darunter Nr. 8 - Notfallmedizin. Zudem lässt
sich der in der Prüfungsniederschrift stichpunktartig wiedergegebene Prüfungsstoff im
Fach Gynäkologie - Uterus myomatosus, Tubargravidität und Beckenendlage - ersichtlich
nicht insgesamt dem Querschnittsbereich Notfallmedizin zuordnen. Aus der Zu-
sammenschau mit den anderen Prüfungsfächern ergibt sich vielmehr, dass, soweit ergänzend
Aspekte der Notfallmedizin geprüft wurden, dies im Rahmen des jeweiligen
Prüfungsfachs erfolgte (vgl. hierzu etwa im Fach „Innere“ die Stichpunkte Atemnot und
Lungenembolie). Schließlich lässt sich die Prüfung im Fach Gynäkologie auch nicht auf
§ 37 Abs. 1 Satz 6 ÄApprO stützen, wonach dem Antragsteller fächerübergreifend weitere
praktische Aufgaben mit Schwerpunkt auf den für den ärztlichen Beruf wichtigsten
Krankheitsbildern und Gesundheitsstörungen zu stellen sind. Dem steht - wie bereits
dargelegt - schon die ausdrückliche Bezeichnung der Fachs Gynäkologie in der
Prüfungsladung und insbesondere in der Prüfungsniederschrift entgegen.
2. Die Klägerin kann vom Beklagten die Entscheidung über ihren Antrag auf Rücknahme
der Prüfungsbescheide vom 30. Oktober 2018 und 20. Februar 2019 unter Beachtung
der Rechtsauffassung des Senats beanspruchen. Die Bescheide sind in mehrfacher
Hinsicht rechtswidrig; indes ist das vom Beklagten im Rahmen von § 48 Abs. 1
Satz 1 VwVfG i. V. m. § 1 SächsVwVfZG auszuübende Ermessen (noch) nicht auf Null
reduziert, so dass eine Verpflichtung zur Aufhebung nicht in Betracht kommt.
a) Die am 11. September 2018 und am 15. Februar 2019 durchgeführten Kenntnisprüfungen
hätten wegen des Vorrangs der Gleichwertigkeitsprüfung nicht durchgeführt
werden dürfen. Es wird insoweit auf die vorstehenden Ausführungen unter 1.a) verwiesen.
b) Die genannten Kenntnisprüfungen leiden zudem unter dem schwerwiegenden Verfahrensmangel,
dass jeweils unter Verstoß gegen § 37 Abs. 1 Satz 1 und 2 ÄApprO
die Klägerin in der Prüfung am 11. September 2018 neben den Fächern Innere Medizin
und Chirurgie zusätzlich im Fach Urologie geprüft wurde, aus dem der Vorsitzende der
Prüfungskommission stammte (vgl. Prüfungsladung vom 24. Juli 2018 und Prüfungsniederschrift
vom 11. September 2018) und in der Prüfung am 15. Februar 2019 zusätzlich
im Fach Anästhesiologie geprüft wurde, aus dem der dritte Prüfer stammte
(vgl. Prüfungsladung vom 7. Januar 2019 sowie Prüfungsniederschrift vom 15. Februar
2019). Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 und Nr. 21 ÄApprO handelt es sich bei Anästhesiologie
und Urologie jeweils um eigenständige Fächer, nicht aber um einen Querschnittsbereich.
Es wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die vorstehenden
Ausführungen unter 1.b) verwiesen, die entsprechend gelten.
Hinsichtlich des Prüfungsbescheides vom 20. Februar 2019 kommt erschwerend hinzu,
dass die Klägerin ausweislich der Prüfungsniederschrift ausschließlich aufgrund unzureichender
Leistungen im Fach Anästhesiologie die Kenntnisprüfung nicht bestanden
hat, also aufgrund eines Faches, das gemäß § 37 Abs. 1 ÄApprO nicht Gegenstand
der Kenntnisprüfung hätte sein dürfen.
c) Über die Rücknahme der somit rechtswidrigen Prüfungsbescheide hat der Beklagte
gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG i. V. m. § 1 SächsVwVfZG nach seinem
Ermessen zu entscheiden. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG kann ein rechtswidriger
Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise
mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
Diese Vorschrift räumt der Klägerin ein subjektives öffentliches Recht auf fehlerfreie
Ermessensentscheidung der Behörde (hier: des Landesprüfungsamts) über
ein Wiederaufgreifen der mit den Prüfungsbescheiden vom 30. Oktober 2018 und
20. Februar 2019 bestandskräftig abgeschlossenen Prüfungsverfahren - und eine
mögliche Rücknahme (Aufhebung) dieser Bescheide - ein (vgl. BVerwG, Beschl. v.
23. Februar 2004 - 5 B 104.03 -, juris Rn. 7 f. unter Verweis auf BVerwG, Urt. v.
23. Juli 1980 - 8 C 90.79 -, juris Rn. 32 und Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl.,
§ 48 Rn. 34 und § 51 Rn. 6, jeweils m. w. N.).
Seine Entscheidung hat der Beklagte danach auszurichten, ob nach den Umständen
des Einzelfalls dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Einzelfallgerechtigkeit
oder aber dem Interesse der Allgemeinheit am Eintritt von
Rechtsfrieden und Rechtssicherheit der Vorzug zu geben ist. Allein der Umstand,
dass sich ein unanfechtbar gewordener Verwaltungsakt als von Anfang an rechtswidrig
erweist, vermag für sich gesehen einen Anspruch auf Rücknahme nicht zu
begründen. Der Gesetzgeber räumt bei der Aufhebung bestandskräftiger belastender
Verwaltungsakte in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise weder
dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung noch der Rechtssicherheit
einen generellen Vorrang ein. Vielmehr stehen beide Grundsätze gleichberechtigt
nebeneinander, sofern dem anzuwendenden Fachrecht nicht ausnahmsweise eine
andere Wertung zu entnehmen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 20. März 2008, NVwZ
2008, 1024; Urt. v. 17. Januar 2007, NVwZ 2007, 709; Urt. v. 7. Juli 2004,
BVerwGE 121, 226; Senatsbeschl. v. 5. Oktober 2010 - 2 A 409/08 - und Senatsurt.
v. 14. Oktober 2010 - 2 A 430/09 -, beide juris). Mit Blick auf das Gebot der materiellen
Gerechtigkeit besteht aber ein Anspruch auf Rücknahme eines bestands-
kräftigen Verwaltungsakts dann, wenn dessen Aufrechterhaltung „schlechthin unerträglich“
erscheint, was von den Umständen des Einzelfalls und einer Gewichtung
der einschlägigen Gesichtspunkte abhängt. Das Festhalten an einem solchen
Verwaltungsakt ist immer dann „schlechthin unerträglich“, wenn die Behörde durch
unterschiedliche Ausübung der Rücknahmebefugnis in gleichen oder ähnlich gelagerten
Fällen gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt oder wenn Umstände gegeben
sind, die die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit als einen Verstoß
gegen die guten Sitten oder das Gebot von Treu und Glauben erscheinen
lassen. Darüber hinaus vermag die offensichtliche Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes,
die sich zum Zeitpunkt von dessen Erlass beurteilt, die Annahme zu
rechtfertigen, seine Aufrechterhaltung sei schlechthin unerträglich (vgl. BVerwG,
Urt. v. 20. März 2008 a. a. O.; Senatsurt. v. 14. Oktober 2010 a. a. O.).
Anhand dieses Maßstabs hat die Klägerin keinen Anspruch auf Aufhebung der
Prüfungsbescheide vom 30. Oktober 2018 und 20. Februar 2019. Der Senat vermag
zum jetzigen Zeitpunkt (noch) nicht zu erkennen, dass die Aufrechterhaltung
der betreffenden Bescheide „schlechthin unerträglich“ erscheint. Von konkret erfolgten
Rücknahmen in gleich oder ähnlich gelagerten Fällen hat der Senat keine
Kenntnis; die Rücknahme erscheint auch nicht nach Treu und Glauben zwingend
geboten. Von einer im Erlasszeitpunkt bestehenden offensichtlichen Rechtswidrigkeit
der Prüfungsbescheide kann nicht ausgegangen werden. Eine offensichtliche
Rechtswidrigkeit in diesem Sinne ist anzunehmen, wenn an dem Verstoß der streitigen
Maßnahme gegen formelles oder materielles Recht vernünftigerweise kein
Zweifel besteht und sich deshalb die Rechtswidrigkeit aufdrängt. Nicht erforderlich
ist, dass der Verwaltungsakt an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet
(vgl. BVerwG, Urt. v. 17. Januar 2007 a. a. O.; Urt. v. 20. März 2008 a. a. O.).
Damit wird dem allgemeinen Grundsatz Rechnung getragen, dass maßgeblicher
Zeitpunkt für die Rechtswidrigkeit der Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung ist
(vgl. BVerwG, Urt. v. 7. Juli 2004 a. a. O.). Daraus folgt, dass auch bei einer Ermessensreduzierung
auf Null im Sinn eines Rücknahmeanspruchs der Verwaltungsakt
schon im Erlasszeitpunkt offensichtlich rechtswidrig gewesen sein muss.
Mangels explizit entgegenstehender Rechtsprechung im Zeitpunkt des Erlasses
der Prüfungsbescheide kann nicht angenommen werden, dass sich die Rechtswidrigkeit
der Bescheide dem Beklagten hätte aufdrängen müssen.
Es bedarf damit einer Ermessensentscheidung des Beklagten über den Antrag der
Klägerin auf Aufhebung der Prüfungsbescheide. Hierbei wird der Beklagte in die
Abwägung, ob im konkreten Fall dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung
oder der Rechtssicherheit der Vorzug zu geben ist, die nachfolgend aufgeführten
Gesichtspunkte einzustellen und zu gewichten haben: (1) Zum Erlass der
fehlerhaften Bescheide kam es letztlich auf Initiative des Beklagten. Zwar hat die
Klägerin ihr Einverständnis mit der Ablegung der Kenntnisprüfung ohne vorherige
Gleichwertigkeitsfeststellung erklärt. Unmittelbar vorausgegangen war indes der
unzutreffende Hinweis seitens des Beklagten, diese Verfahrensweise sei notwendige
Voraussetzung für die von der Klägerin beantragte Erlaubnis zur vorübergehenden
Berufsausübung. (2) Die Prüfungsbescheide sind, wie vorstehend dargelegt,
jeweils in mehrfacher Hinsicht rechtswidrig. (3) Nach Angaben der Beklagtenvertreter
in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Beklagte zwischenzeitlich
seine Verwaltungspraxis betreffend Gleichwertigkeitsfeststellung und
Kenntnisprüfung geändert. Insoweit stellt sich die Frage der Gleichbehandlung der
Klägerin mit anderen Antragstellern, die erst nach Durchführung der Gleichwertigkeitsfeststellung
erstmals ihre Kenntnisprüfung(en) ablegen und hierbei jeweils ihren
aktuellen Wissens- und Ausbildungsstand einbringen können. (4) Nach Durchführung
der vom Beklagten angekündigten Gleichwertigkeitsprüfung und Erteilung
des entsprechenden Bescheides nach § 3 Abs. 2 Satz 8 BÄO - u. U. unter Benennung
eines zusätzlichen Fachs gemäß § 37 Abs. 1 Satz 3 ÄApprO - dürfte ein
neuer Sachverhalt vorliegen mit der Rechtsfolge, dass der Klägerin dann ohnehin
drei Prüfungsversuche nach § 37 Abs. 7 Satz 2 ÄApprO offenstehen und die
früheren Prüfungsbescheide obsolet geworden sind.

Forum ist leer

VG Bremen 5 K 1763/21

(Verwaltungsgericht Bremen, Urteil vom 23.3.2023 - 5 K 1763/21)
Originaltext

Soweit die Klage zurückgenommen worden ist, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist im Umfang des streitig entschiedenen Teils wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Erteilung der Approbation als Ärztin, hilfsweise die Feststellung der Gleichwertigkeit ihres in der Ukraine erworbenen Ausbildungsstandes mit der deutschen Ausbildung.

Die 1994 in Kasachstan geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und absolvierte zwischen 2014 und 2020 ein Studium der Humanmedizin in ... (Ukraine). Am 19.10.2020 beantragte sie bei der Beklagten die Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des Berufs einer Ärztin, welche ihr unter dem 08.01.2021 für den Zeitraum 15.01.2021 bis 14.01.2023 unter Einschränkungen zum Abschluss ihrer Ausbildung im Land Bremen erteilt wurde (§ 10 Abs. 5 BÄO).

Am 14.07.2021 beantragte sie bei der Beklagten, die nach § 10 Abs. 5 BÄO erteilte Erlaubnis auf eine solche nach § 10 Abs. 1 BÄO umzuschreiben und ihr die Approbation zu erteilen. Am 27.07.2021 beantragte sie erneut förmlich die Erteilung einer Approbation als Ärztin. Sie reichte im Laufe des Verwaltungsverfahrens zahlreiche Unterlagen über ihre ärztliche Ausbildung ein, unter anderem ihr Fachdiplom über den Abschluss ihres Studiums vom 03.08.2020 nebst Anlage, mehrere Bescheinigungen des ukrainischen Gesundheitsministeriums sowie Bescheinigungen des „Ukrainischen Medizinischen Rats“. Außerdem reichte sie eine ärztliche Bescheinigung über ihre gesundheitliche Eignung zur Ausübung des Arztberufes ein. Eine Fachsprachenprüfung legte die Klägerin nicht ab.

Mit Bescheid vom 26.08.2021 lehnte die Beklagte den Antrag auf Erteilung der Approbation ab. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin verfüge – gemessen an den Vorgaben des ukrainischen Rechts – schon nicht über eine abgeschlossene Ausbildung als Ärztin, da sie keine Internatur oder Ordinatur absolviert habe. Eine Prüfung der Gleichwertigkeit des absolvierten Studiums erübrige sich daher. Mit Bescheid vom selben Tag lehnte die Beklagte auch den Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs nach § 10 Abs. 1 BÄO ab, da auch § 10 Abs. 1 BÄO die Abgeschlossenheit der ärztlichen Grundausbildung zur Voraussetzung mache.

Die Klägerin hat am 08.09.2021 Klage erhoben. Zur Begründung führt sie aus, sie habe eine Internatur zwischen dem 01.07.2019 und dem 26.06.2020 erfolgreich absolviert; lediglich die postgraduale Internatur (Facharztabschluss) habe sie nie angestrebt; eine solche Verpflichtung zu einer Spezialisierung bestehe nur für ukrainische Staatsbürger.

Nachdem sie zunächst auch die Aufhebung des Ablehnungsbescheids betreffend die vorübergehende Berufserlaubnis beantragt hat, beantragt sie nunmehr noch die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 26.08.2021 zu verpflichten, ihr die Approbation zu erteilen, hilfsweise sie zu verpflichten, ihre ärztliche Ausbildung als gleichwertig mit der Deutschen Referenzqualifikation anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie meint, die Beendigung der Internatur sei gerade nicht nachgewiesen. Diese sei Ausländern in der Ukraine nicht möglich, dennoch aber erforderlich zur Berufsausübung in der Ukraine; der Abschluss der Ausbildung müsse dann in einem anderen Staat erfolgen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klägerin hat die Klage teilweise zurückgenommen; insoweit war das Verfahren daher gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Die Klägerin hat zunächst zahlreiche Anträge gestellt, die nicht nur auf die Approbationserteilung (ursprünglicher Antrag zu 4.) bzw. die Feststellung der Gleichwertigkeit (ursprünglicher Antrag zu 3.) gerichtet waren. Vielmehr hat sie auch isoliert die Aufhebung des Ablehnungsbescheids hinsichtlich der Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs (ursprünglicher Antrag zu 2.) beantragt. Sie hat sich nach einem Hinweis des Gerichts indes darauf beschränkt, den Approbationsanspruch (unter Aufhebung des insoweit ergangenen Ablehnungsbescheids) weiterzuverfolgen sowie hilfsweise den Anspruch auf Feststellung der Gleichwertigkeit. Damit hat sie das Begehren mit Blick auf die vorläufige Berufserlaubnis nicht weiterverfolgt.

II.

Die Klage ist im Hauptanspruch als Verpflichtungsklage zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat im maßgeblichen Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage der Entscheidung des Gerichts keinen Anspruch auf Erteilung einer Approbation als Ärztin (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Anspruchsgrundlage ist insoweit § 3 Abs. 3 Satz 1 BÄO. Danach ist Antragstellern, die – wie die Klägerin – über keine ärztliche Prüfung im Geltungsbereich der BÄO und keinen in einem in § 3 Abs. 2 Satz 1 BÄO genannten Staat ausgestellten Ausbildungsnachweis als Arzt verfügen, die Approbation zu erteilen, wenn die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes gegeben ist.

Voraussetzung für die Approbationserteilung ist neben der (qualitativen) Gleichwertigkeit der ärztlichen Grundausbildung zunächst, dass diese im Herkunftsstaat nach dem dortigen Recht abgeschlossen ist (vgl. zum Erfordernis der Abgeschlossenheit der Ausbildung auch VG Bremen, Urt. v. 14.07.2022 – 5 K 72/22 –, juris Rn. 26 m.w.N.).

Gemessen am ukrainischen Recht ist die ärztliche Grundausbildung der Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht abgeschlossen. Insoweit kann dahinstehen, ob die Klägerin alle übrigen Approbationsvoraussetzungen erfüllt (§ 3 Abs. 1 Satz 1 BÄO, § 39 ÄApproO).

Das „Informationssystem zur Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse“ (http://www.anabin.de) führt insoweit zum ukrainischen Ausbildungssystem aus: „Im Anschluss an das Studium ist eine ein- bis dreijährige Internatur in einem Fachgebiet vorgeschrieben. (...) Nach erfolgreichem Abschluss der Internatur sowie der bestandenen Abschlussprüfung (Attestierung) wird ein Zertifikat als „Arzt/Ärztin-​Spezialist/in“ in einem Fachgebiet ausgegeben, das die eigenverantwortliche ärztliche Tätigkeit erlaubt und eine Gültigkeit von fünf Jahren hat. Absolventinnen und Absolventen mit einer anderen als der ukrainischen Staatsangehörigkeit, die über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis in der Ukraine verfügen, haben die gleichen Rechte wie ukrainische Bürgerinnen und Bürger und können eine Internatur in der Ukraine absolvieren. Für Ausländerinnen und Ausländer mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis besteht diese Möglichkeit nicht. Im Gegensatz zu ukrainischen Staatsangehörigen dürfen Ausländerinnen und Ausländer jedoch ohne Internatur direkt nach dem Studium eine zweijährige klinische Ordinatur absolvieren, die für diesen Personenkreis um bis zu zwei weitere Jahre verlängert werden kann. Im Anschluss an die Ordinatur ist eine Spezialisierung zu absolvieren. Im Anschluss an die Spezialisierung wird ein Zertifikat als „Arzt/in-​Spezialist/in“ in einem Fachgebiet ausgegeben, das die eigenverantwortliche ärztliche Tätigkeit in der Ukraine erlaubt.“

Dies steht auch im Einklang mit dem vorgelegten Schreiben des Gesundheitsministeriums vom 14.04.2017 über die Ausbildung ausländischer Studierender in der Ukraine. Danach reicht das Medizinstudium nicht für die Berufsausübungsberechtigung aus. Hierfür ist vielmehr die „postgraduierte Qualifizierung (...) zum Erwerb des Zertifikates des Facharztes“ abzuleisten. Diese Qualifizierung erfolgt für ukrainische Staatsbürger durch die Internatur. Hierzu sind ausländische Absolventen indes nicht verpflichtet; stattdessen erfolgt deren Praxisausbildung auf Eigenkosten im Wege der Ordinatur.

Die Klägerin hat hieran gemessen (mangels entsprechenden Aufenthaltstitels) eine Internatur nicht absolviert und sich auch nicht für den Weg der Ordinatur mit anschließender Spezialisierung entschieden. Sie erfüllt deshalb nicht die Voraussetzungen, unter denen Absolventen in der Ukraine eigenverantwortlich die ärztliche Tätigkeit ausüben können.

Auch die von der Klägerin selbst vorgelegten Urkunden, soweit diese von offizieller Seite stammen, bestätigen dieses Verständnis. Das Fachdiplom vom 03.08.2020 bestätigt allein den Abschluss des Studiums. Die zum Fachdiplom gehörige Urkunde führt sogar ausdrücklich aus, dass für die ärztliche Praxis eine „postgraduale Weiterbildung gemäß den ukrainischen Qualifikationskriterien erforderlich“ sei. Dies bestätigt auch die Bescheinigung des ukrainischen Gesundheitsministeriums vom 14.12.2020, wonach die Klägerin ihr Studium abgeschlossen habe und zur „postgradualen Weiterbildung in jedem Land“ zugelassen werden könne, für die „Ausübung der Berufstätigkeit auf dem Gebiet der Ukraine“ aber „ihre ausländischen Weiterbildungsnachweise anerkennen lassen“ müsse.

Weiterhin geht auch die Rechtsprechung überwiegend davon aus, dass die in zahlreichen osteuropäischen Staaten erforderliche praktische Zeit (Ordinatur / Internatur) nach dem Hochschulabschluss zur ärztlichen Ausbildung gehört (vgl. für die Ukraine NdsOVG, Beschl. v. 11.10.2010 – 8 LA 65/10 –, juris Rn. 14; zur Sowjetunion BVerwG, Urt. v. 11.12.2008 – 3 C 33.07 –, juris Rn. 27; für Russland wohl auch OVG Bl-​Bbg, Beschl. v. 11.12.2013 – OVG 12 S 118.13 –, juris Rn. 4; a.A. VG Karlsruhe, Urt. v. 21.01.2020 – 1 K 7705/18 –, juris Rn. 37 f., welches die Ordinatur der Weiterbildung zuordnet).

Eine andere Auffassung vertritt lediglich der „Ukrainische Medizinische Rat“ in den vorgelegten Bescheinigungen. Dieser folgert aus dem Umstand, dass die Klägerin ihr sechsjähriges Studium abgeschlossen hat, dass sie zur Ausübung ihrer Berufstätigkeit im Bereich Humanmedizin berechtigt sei, weil sie eine Internatur mangels ukrainischer Staatsbürgerschaft nicht besäße. Der Ukrainische Medizinische Rat ist indes nach Auffassung der Kammer keine offizielle Stelle, vielmehr handelt es sich ausweislich seiner Website eher um einen Interessenverband. Unabhängig davon verkennt er in seinen Stellungnahmen die Möglichkeit, dass ausländische Absolventen ihre Ordinatur im Ausland absolvieren können und diese in der Ukraine anerkennen lassen können, wie das Schreiben des Gesundheitsministeriums vom 14.12.2020 darlegt.

Die Klägerin hält dem Befund der Kammer im Wesentlichen ihr eigenes Verständnis von „postgradualer Weiterbildung“ entgegen, ohne darauf einzugehen, dass dieser Ausbildungsschritt – trotz abgeschlossenen Studiums – in der Ukraine Voraussetzung für die Berufsausübung ist. Soweit die Klägerin außerdem vorträgt, sie habe nie in der Ukraine tätig werden wollen und es sei unzumutbar, für den Abschluss der Ordinatur die ukrainische Staatsbürgerschaft anzunehmen, so ändert dies an der Wertung der Kammer nichts. Es kann dahinstehen, ob die Klägerin in der Ukraine tätig werden wollte; wesentlich für die „Abgeschlossenheit“ der Ausbildung ist, ob sie in dem Staat ihrer Ausbildung tätig werden könnte. Hierfür ist im Übrigen die Annahme der ukrainischen Staatsangehörigkeit nicht erforderlich. Vielmehr könnte die Klägerin die Ordinatur in der Ukraine absolvieren oder ihre in Deutschland auf Grundlage der vorübergehenden Berufserlaubnis absolvierte Berufstätigkeit (ggf. teilweise) als Ordinatur in der Ukraine anerkennen lassen, soweit die nach ukrainischem Recht hieran zu stellenden Voraussetzungen erfüllt sein sollten.

Schließlich überzeugt auch der Verweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Berlin nicht. Das Gericht hat dort zunächst ausgeführt, dass es überzeugt sei, dass der dortige Kläger sein Zahnmedizinstudium abgeschlossen habe (VG Berlin, Urt. v. 16.11.2020 – 17 K 1/20 –, juris Rn. 58 ff.). Es hat sodann ausgeführt, dass über den Nachweis der Abgeschlossenheit seiner Ausbildung hinaus keine Bescheinigung vorliegen muss, aus der sich die Berechtigung zur dortigen Berufsausübung ergibt (ebd., Rn. 202 ff.). Hierbei geht es ersichtlich um die Frage weiterer formaler Nachweise, nicht in materieller Hinsicht darum, welche Anforderungen das Herkunftsland in materieller Hinsicht an die Berufsausübungsberechtigung stellt. Entsprechend hat das hiesige erkennende Gericht auch entschieden, dass die in Nordzypern geltenden berufsqualifizierenden Voraussetzungen (also der Abschluss der dortigen Ausbildung) erfüllt und nachgewiesen sein müssen, nicht aber weitere formale Voraussetzungen für die Berufsausübungsberechtigung in Nordzypern wie die erforderliche Registrierung bei der nordzypriotischen Ärztekammer (vgl. VG Bremen, a.a.O., Rn. 38).

III.

Der Hilfsantrag ist bereits unzulässig. Es besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung der Gleichwertigkeit einer ohnehin schon nicht abgeschlossenen Ausbildung. Die Klägerin könnte aus einer solchen Feststellung keinerlei Vorteile für sich ableiten.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

Forum ist leer

Aktuelle Rechtsprechung

(Verwaltungsgericht Bremen, Urteil vom 23.3.2023 - 5 K 1763/21)
Originaltext

Soweit die Klage zurückgenommen worden ist, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist im Umfang des streitig entschiedenen Teils wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Erteilung der Approbation als Ärztin, hilfsweise die Feststellung der Gleichwertigkeit ihres in der Ukraine erworbenen Ausbildungsstandes mit der deutschen Ausbildung.

Die 1994 in Kasachstan geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und absolvierte zwischen 2014 und 2020 ein Studium der Humanmedizin in ... (Ukraine). Am 19.10.2020 beantragte sie bei der Beklagten die Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des Berufs einer Ärztin, welche ihr unter dem 08.01.2021 für den Zeitraum 15.01.2021 bis 14.01.2023 unter Einschränkungen zum Abschluss ihrer Ausbildung im Land Bremen erteilt wurde (§ 10 Abs. 5 BÄO).

Am 14.07.2021 beantragte sie bei der Beklagten, die nach § 10 Abs. 5 BÄO erteilte Erlaubnis auf eine solche nach § 10 Abs. 1 BÄO umzuschreiben und ihr die Approbation zu erteilen. Am 27.07.2021 beantragte sie erneut förmlich die Erteilung einer Approbation als Ärztin. Sie reichte im Laufe des Verwaltungsverfahrens zahlreiche Unterlagen über ihre ärztliche Ausbildung ein, unter anderem ihr Fachdiplom über den Abschluss ihres Studiums vom 03.08.2020 nebst Anlage, mehrere Bescheinigungen des ukrainischen Gesundheitsministeriums sowie Bescheinigungen des „Ukrainischen Medizinischen Rats“. Außerdem reichte sie eine ärztliche Bescheinigung über ihre gesundheitliche Eignung zur Ausübung des Arztberufes ein. Eine Fachsprachenprüfung legte die Klägerin nicht ab.

Mit Bescheid vom 26.08.2021 lehnte die Beklagte den Antrag auf Erteilung der Approbation ab. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin verfüge – gemessen an den Vorgaben des ukrainischen Rechts – schon nicht über eine abgeschlossene Ausbildung als Ärztin, da sie keine Internatur oder Ordinatur absolviert habe. Eine Prüfung der Gleichwertigkeit des absolvierten Studiums erübrige sich daher. Mit Bescheid vom selben Tag lehnte die Beklagte auch den Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs nach § 10 Abs. 1 BÄO ab, da auch § 10 Abs. 1 BÄO die Abgeschlossenheit der ärztlichen Grundausbildung zur Voraussetzung mache.

Die Klägerin hat am 08.09.2021 Klage erhoben. Zur Begründung führt sie aus, sie habe eine Internatur zwischen dem 01.07.2019 und dem 26.06.2020 erfolgreich absolviert; lediglich die postgraduale Internatur (Facharztabschluss) habe sie nie angestrebt; eine solche Verpflichtung zu einer Spezialisierung bestehe nur für ukrainische Staatsbürger.

Nachdem sie zunächst auch die Aufhebung des Ablehnungsbescheids betreffend die vorübergehende Berufserlaubnis beantragt hat, beantragt sie nunmehr noch die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 26.08.2021 zu verpflichten, ihr die Approbation zu erteilen, hilfsweise sie zu verpflichten, ihre ärztliche Ausbildung als gleichwertig mit der Deutschen Referenzqualifikation anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie meint, die Beendigung der Internatur sei gerade nicht nachgewiesen. Diese sei Ausländern in der Ukraine nicht möglich, dennoch aber erforderlich zur Berufsausübung in der Ukraine; der Abschluss der Ausbildung müsse dann in einem anderen Staat erfolgen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klägerin hat die Klage teilweise zurückgenommen; insoweit war das Verfahren daher gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Die Klägerin hat zunächst zahlreiche Anträge gestellt, die nicht nur auf die Approbationserteilung (ursprünglicher Antrag zu 4.) bzw. die Feststellung der Gleichwertigkeit (ursprünglicher Antrag zu 3.) gerichtet waren. Vielmehr hat sie auch isoliert die Aufhebung des Ablehnungsbescheids hinsichtlich der Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs (ursprünglicher Antrag zu 2.) beantragt. Sie hat sich nach einem Hinweis des Gerichts indes darauf beschränkt, den Approbationsanspruch (unter Aufhebung des insoweit ergangenen Ablehnungsbescheids) weiterzuverfolgen sowie hilfsweise den Anspruch auf Feststellung der Gleichwertigkeit. Damit hat sie das Begehren mit Blick auf die vorläufige Berufserlaubnis nicht weiterverfolgt.

II.

Die Klage ist im Hauptanspruch als Verpflichtungsklage zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat im maßgeblichen Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage der Entscheidung des Gerichts keinen Anspruch auf Erteilung einer Approbation als Ärztin (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Anspruchsgrundlage ist insoweit § 3 Abs. 3 Satz 1 BÄO. Danach ist Antragstellern, die – wie die Klägerin – über keine ärztliche Prüfung im Geltungsbereich der BÄO und keinen in einem in § 3 Abs. 2 Satz 1 BÄO genannten Staat ausgestellten Ausbildungsnachweis als Arzt verfügen, die Approbation zu erteilen, wenn die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes gegeben ist.

Voraussetzung für die Approbationserteilung ist neben der (qualitativen) Gleichwertigkeit der ärztlichen Grundausbildung zunächst, dass diese im Herkunftsstaat nach dem dortigen Recht abgeschlossen ist (vgl. zum Erfordernis der Abgeschlossenheit der Ausbildung auch VG Bremen, Urt. v. 14.07.2022 – 5 K 72/22 –, juris Rn. 26 m.w.N.).

Gemessen am ukrainischen Recht ist die ärztliche Grundausbildung der Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht abgeschlossen. Insoweit kann dahinstehen, ob die Klägerin alle übrigen Approbationsvoraussetzungen erfüllt (§ 3 Abs. 1 Satz 1 BÄO, § 39 ÄApproO).

Das „Informationssystem zur Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse“ (http://www.anabin.de) führt insoweit zum ukrainischen Ausbildungssystem aus: „Im Anschluss an das Studium ist eine ein- bis dreijährige Internatur in einem Fachgebiet vorgeschrieben. (...) Nach erfolgreichem Abschluss der Internatur sowie der bestandenen Abschlussprüfung (Attestierung) wird ein Zertifikat als „Arzt/Ärztin-​Spezialist/in“ in einem Fachgebiet ausgegeben, das die eigenverantwortliche ärztliche Tätigkeit erlaubt und eine Gültigkeit von fünf Jahren hat. Absolventinnen und Absolventen mit einer anderen als der ukrainischen Staatsangehörigkeit, die über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis in der Ukraine verfügen, haben die gleichen Rechte wie ukrainische Bürgerinnen und Bürger und können eine Internatur in der Ukraine absolvieren. Für Ausländerinnen und Ausländer mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis besteht diese Möglichkeit nicht. Im Gegensatz zu ukrainischen Staatsangehörigen dürfen Ausländerinnen und Ausländer jedoch ohne Internatur direkt nach dem Studium eine zweijährige klinische Ordinatur absolvieren, die für diesen Personenkreis um bis zu zwei weitere Jahre verlängert werden kann. Im Anschluss an die Ordinatur ist eine Spezialisierung zu absolvieren. Im Anschluss an die Spezialisierung wird ein Zertifikat als „Arzt/in-​Spezialist/in“ in einem Fachgebiet ausgegeben, das die eigenverantwortliche ärztliche Tätigkeit in der Ukraine erlaubt.“

Dies steht auch im Einklang mit dem vorgelegten Schreiben des Gesundheitsministeriums vom 14.04.2017 über die Ausbildung ausländischer Studierender in der Ukraine. Danach reicht das Medizinstudium nicht für die Berufsausübungsberechtigung aus. Hierfür ist vielmehr die „postgraduierte Qualifizierung (...) zum Erwerb des Zertifikates des Facharztes“ abzuleisten. Diese Qualifizierung erfolgt für ukrainische Staatsbürger durch die Internatur. Hierzu sind ausländische Absolventen indes nicht verpflichtet; stattdessen erfolgt deren Praxisausbildung auf Eigenkosten im Wege der Ordinatur.

Die Klägerin hat hieran gemessen (mangels entsprechenden Aufenthaltstitels) eine Internatur nicht absolviert und sich auch nicht für den Weg der Ordinatur mit anschließender Spezialisierung entschieden. Sie erfüllt deshalb nicht die Voraussetzungen, unter denen Absolventen in der Ukraine eigenverantwortlich die ärztliche Tätigkeit ausüben können.

Auch die von der Klägerin selbst vorgelegten Urkunden, soweit diese von offizieller Seite stammen, bestätigen dieses Verständnis. Das Fachdiplom vom 03.08.2020 bestätigt allein den Abschluss des Studiums. Die zum Fachdiplom gehörige Urkunde führt sogar ausdrücklich aus, dass für die ärztliche Praxis eine „postgraduale Weiterbildung gemäß den ukrainischen Qualifikationskriterien erforderlich“ sei. Dies bestätigt auch die Bescheinigung des ukrainischen Gesundheitsministeriums vom 14.12.2020, wonach die Klägerin ihr Studium abgeschlossen habe und zur „postgradualen Weiterbildung in jedem Land“ zugelassen werden könne, für die „Ausübung der Berufstätigkeit auf dem Gebiet der Ukraine“ aber „ihre ausländischen Weiterbildungsnachweise anerkennen lassen“ müsse.

Weiterhin geht auch die Rechtsprechung überwiegend davon aus, dass die in zahlreichen osteuropäischen Staaten erforderliche praktische Zeit (Ordinatur / Internatur) nach dem Hochschulabschluss zur ärztlichen Ausbildung gehört (vgl. für die Ukraine NdsOVG, Beschl. v. 11.10.2010 – 8 LA 65/10 –, juris Rn. 14; zur Sowjetunion BVerwG, Urt. v. 11.12.2008 – 3 C 33.07 –, juris Rn. 27; für Russland wohl auch OVG Bl-​Bbg, Beschl. v. 11.12.2013 – OVG 12 S 118.13 –, juris Rn. 4; a.A. VG Karlsruhe, Urt. v. 21.01.2020 – 1 K 7705/18 –, juris Rn. 37 f., welches die Ordinatur der Weiterbildung zuordnet).

Eine andere Auffassung vertritt lediglich der „Ukrainische Medizinische Rat“ in den vorgelegten Bescheinigungen. Dieser folgert aus dem Umstand, dass die Klägerin ihr sechsjähriges Studium abgeschlossen hat, dass sie zur Ausübung ihrer Berufstätigkeit im Bereich Humanmedizin berechtigt sei, weil sie eine Internatur mangels ukrainischer Staatsbürgerschaft nicht besäße. Der Ukrainische Medizinische Rat ist indes nach Auffassung der Kammer keine offizielle Stelle, vielmehr handelt es sich ausweislich seiner Website eher um einen Interessenverband. Unabhängig davon verkennt er in seinen Stellungnahmen die Möglichkeit, dass ausländische Absolventen ihre Ordinatur im Ausland absolvieren können und diese in der Ukraine anerkennen lassen können, wie das Schreiben des Gesundheitsministeriums vom 14.12.2020 darlegt.

Die Klägerin hält dem Befund der Kammer im Wesentlichen ihr eigenes Verständnis von „postgradualer Weiterbildung“ entgegen, ohne darauf einzugehen, dass dieser Ausbildungsschritt – trotz abgeschlossenen Studiums – in der Ukraine Voraussetzung für die Berufsausübung ist. Soweit die Klägerin außerdem vorträgt, sie habe nie in der Ukraine tätig werden wollen und es sei unzumutbar, für den Abschluss der Ordinatur die ukrainische Staatsbürgerschaft anzunehmen, so ändert dies an der Wertung der Kammer nichts. Es kann dahinstehen, ob die Klägerin in der Ukraine tätig werden wollte; wesentlich für die „Abgeschlossenheit“ der Ausbildung ist, ob sie in dem Staat ihrer Ausbildung tätig werden könnte. Hierfür ist im Übrigen die Annahme der ukrainischen Staatsangehörigkeit nicht erforderlich. Vielmehr könnte die Klägerin die Ordinatur in der Ukraine absolvieren oder ihre in Deutschland auf Grundlage der vorübergehenden Berufserlaubnis absolvierte Berufstätigkeit (ggf. teilweise) als Ordinatur in der Ukraine anerkennen lassen, soweit die nach ukrainischem Recht hieran zu stellenden Voraussetzungen erfüllt sein sollten.

Schließlich überzeugt auch der Verweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Berlin nicht. Das Gericht hat dort zunächst ausgeführt, dass es überzeugt sei, dass der dortige Kläger sein Zahnmedizinstudium abgeschlossen habe (VG Berlin, Urt. v. 16.11.2020 – 17 K 1/20 –, juris Rn. 58 ff.). Es hat sodann ausgeführt, dass über den Nachweis der Abgeschlossenheit seiner Ausbildung hinaus keine Bescheinigung vorliegen muss, aus der sich die Berechtigung zur dortigen Berufsausübung ergibt (ebd., Rn. 202 ff.). Hierbei geht es ersichtlich um die Frage weiterer formaler Nachweise, nicht in materieller Hinsicht darum, welche Anforderungen das Herkunftsland in materieller Hinsicht an die Berufsausübungsberechtigung stellt. Entsprechend hat das hiesige erkennende Gericht auch entschieden, dass die in Nordzypern geltenden berufsqualifizierenden Voraussetzungen (also der Abschluss der dortigen Ausbildung) erfüllt und nachgewiesen sein müssen, nicht aber weitere formale Voraussetzungen für die Berufsausübungsberechtigung in Nordzypern wie die erforderliche Registrierung bei der nordzypriotischen Ärztekammer (vgl. VG Bremen, a.a.O., Rn. 38).

III.

Der Hilfsantrag ist bereits unzulässig. Es besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung der Gleichwertigkeit einer ohnehin schon nicht abgeschlossenen Ausbildung. Die Klägerin könnte aus einer solchen Feststellung keinerlei Vorteile für sich ableiten.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

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